Firmung in der Pfarrei


Am 13. Mai wurde etlichen Jugendlichen das Sakrament der Firmung gespendet.

In seiner Predigt regte unser Bischof zum Nachdenken an. Lesen Sie selbst: 


An den Auferstandenen glauben?

(Johannes-Evangelium, Kapitel 20, Verse 19–31) 

Dr. Bischof Gerhard Feige – Es gilt das gesprochene Wort!

„Woran glaubt, wer nicht glaubt?“ Eine sonderbare Frage, aber interessant und bedenkenswert. Normalerweise unterscheiden wir ja zwischen Christen und Nichtchristen, Gläubigen und Nichtgläubigen, Schwarz und Weiß. Ist die Wirklichkeit aber nicht vielfältiger bzw. komplizierter?

„Woran glaubt, wer nicht glaubt?“, so lautet der Titel eines veröffentlichten Briefwechsels zwischen Carlo Martini, dem früheren Mailänder Kardinal, und Umberto Eco, der durch seinen Roman „Im Namen der Rose“ bekannt geworden ist. Ein Christ und ein Nichtchrist spüren darin von unterschiedlichen Positionen her solchen Fragen nach, wie: Was macht das Leben sinnvoll? Was trägt einen auch in Krisen? Wofür lohnt es sich einzusetzen?

„Woran glaubt, wer nicht glaubt?“ Man könnte die Frage auch positiv stellen: Woran glaubt, wer glaubt? Oder anders gefragt: Ist der Glaube nicht von gestern, unseren Vorfahren noch bedeutsam, aber nichts mehr für moderne Menschen des 21. Jahrhunderts? Oder noch anders: Wozu soll der Glaube überhaupt gut sein? Was bringt es, zu glauben?

Nun, als erstes können wir schon einmal ganz nüchtern feststellen: Es gibt wohl niemanden, der nicht irgendwie an irgendetwas oder irgendwen glaubt. Ohne jeglichen Glauben würden wir Menschen verkümmern. Wer behauptet, dass er nur auf exaktes Wissen setzt, der macht sich etwas vor. Denn wer kann schon jede Behauptung und jeden angeblichen Beweis selbst überprüfen. Treffend hat dazu eine ehemalige Bundestagsabgeordnete (Christa Nickels) einmal bemerkt: „Wenn man sieht, was die Politiker den Wissenschaftlern alles glauben, dann sind die Teilnehmer an einer Marienprozession staubtrockene Realisten!“ Es ist also für uns Menschen gar nicht möglich, uns nur auf Wissen und Beweise zu berufen. Ganz abgesehen davon werden viele Menschen heute immer skeptischer, ob die vielen Erkenntnisse der Forschung uns tatsächlich nützen oder glücklicher und menschlicher machen.

Dann ist aber auch zu bedenken: die Welt mathematisch- naturwissenschaftlich zu erfassen, ist nur eine mögliche Zugangsweise zur Wirklichkeit; sich ihr ganzheitlich und vertrauensvoll zuzuwenden, eine andere. Schon bei einem Sonnenaufgang wird das deutlich. Man kann ihn astronomisch-physikalisch erklären, man kann sich aber auch in seinem Gemüt davon ergreifen lassen und ins Schwärmen kommen. Vor allem betrifft das unsere menschlichen Beziehungen. Warum fühlen wir uns gerade zu diesem oder jenem Menschen besonders hingezogen? Was macht eine Freundschaft aus? Was ist Liebe zwischen zwei Menschen? Da zählt doch nicht in erster Linie: Wie groß ist der? Wieviel wiegt der? Welche Haarfarbe hat der? Sympathie, Vertrauen und Liebe setzen tiefer an und lassen sich nur bedingt erklären. Natürlich kann man dabei enttäuscht, belogen und betrogen werden. Doch wer anderen nicht sein Leben lang misstrauisch begegnen will, kommt nicht umhin, Vertrauen und Glauben zu riskieren. Das ist tatsächlich ein Wagnis; aber wer es versucht, spürt, dass das Leben dadurch viel reicher wird.

Noch spannender, radikaler und folgenreicher wird es, wenn jemand anfängt, tiefer über sich, das Leben und die Welt nachzudenken; wenn sich eine Ahnung einstellt, dass da noch etwas mehr sein muss als nur eine oberflächliche und berechenbare Welt. An dieser Stelle kommt die Religion ins Spiel. Menschen aller Zeiten und Kulturen haben die Erfahrung gemacht, dass diese Welt, in der wir leben, nicht alles ist. Die meisten von ihnen haben mit der Überzeugung gelebt, dass es für uns Menschen ein Woher und ein Wohin geben muss. Für manche ist das mit einem höchsten Wesen verbunden, für andere mit einer unpersönlichen Schicksalsmacht. Auch heute können wir viele Menschen finden, die trotz aller Skepsis sagen: „Ich glaube schon, dass es da noch irgendetwas geben muss!“

Für uns Christen ist das aber noch viel konkreter. Wir glauben nicht nur an „irgendetwas“, sondern an Jemanden – und zwar an Jemanden, der uns sogar liebt, zu dem man „Du“ und „Vater“ sagen kann. Von ihm in die Welt gesandt ist Jesus Christus Mensch geworden, hat unser Schicksal geteilt, ist gekreuzigt und begraben worden und doch nicht im Tod geblieben. Er ist auferstanden und lebt. Wie aber kommt man dazu, das zu glauben?

Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigen schon alle Ostergeschichten. Meistens dauert es erst einige Zeit, bis die Jünger und Jüngerinnen Jesu begreifen, dass Gott ihn tatsächlich vom Tod erweckt hat, dauert es, bis Angst und Schrecken weichen, ihnen die Augen aufgehen, das Herz brennt und sie ihn erkennen.

Besonders deutlich wird es bei einem, der der Nachwelt bis heute als der „ungläubige Thomas“ in Erinnerung geblieben ist. Er glaubte den anderen zunächst nicht, als sie erzählten, dass ihnen der Auferstandene erschienen ist. „Wenn ich“ – so lauteten dem Evangelium nach Johannes seine Worte – „an seinen Händen nicht die Wunden der Nägel sehe und wenn ich meine Finger nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ Als er einige Tage später dann den Auferstandenen berühren konnte und von ihm angesprochen wurde, legte er jedoch seine Zweifel ab und bekannte voller Überzeugung: „Mein Herr und mein Gott!“

Auch heute ist das Glauben nicht leichter geworden. Wer wollte es jemandem verdenken, wenn er wie Thomas konkrete Beweise fordert. Konkrete Beweise können zunächst jedoch nicht erbracht werden. Aber Thomas zeigt uns, wie wir uns auch in einer solchen Situation des Zweifels und der Anfrage verhalten können: Er verließ die Gruppe der Glaubenden nicht, obgleich er sich ausdrücklich von deren Glauben distanzierte. Damit blieb er auf dem Weg des Glaubens.

Wer sich auf den christlichen Glauben einlässt, begibt sich nicht auf einen gemütlichen Spaziergang, kann Höhen, aber auch Tiefen erfahren. Dabei kommen wir nie so ans Ziel, dass wir sagen könnten: Wir haben es erreicht. Es gibt verschiedene Stufen des Glaubens: den Glauben des Kleinkindes, des Jugendlichen, des Erwachsenen und den des alten Menschen. Es gibt den suchenden, zweifelnden, dunklen und angefochtenen Glauben. Es gibt aber auch den gereiften und tiefen Glauben, den, der Gewissheit verleiht, der Zuversicht vermittelt und Mut macht.

Liebe Firmanden, liebe Schwestern und Brüder, unzählige Menschen haben schon erfahren, dass der christliche Glaube ihrem Leben Halt und Tiefe verleiht. Wir haben dadurch einen Orientierungspunkt, von dem aus wir unser Leben sinnvoll gestalten können. Ein solcher Glaube hilft nicht nur uns selbst, er verändert auch die Welt, in der wir leben. Er ist kein Opium für Arme oder Luxus für Betuchte. Auch wenn er oftmals in der Geschichte politisch instrumentalisiert oder anderweitig missbraucht wurde, ist er keine militante Ideologie, die Hass und Gewalt recht-fertigen kann oder darf. Gegen allen Egoismus und alle Gleichgültigkeit drängt er zum Handeln: zum Einsatz für die Menschenwürde und das Gemeinwohl, für soziale Gerechtigkeit und einen barmherzigen Umgang miteinander. Dabei kennt er auch eigenes Versagen, weiß um alle Unvollkommenheit und Sünde und hofft doch immer wieder auf Gnade, Umkehr und Versöhnung. Christlicher Glaube kann zwar nicht das Paradies auf Erden errichten, aber doch das Stückchen Erde, das wir bewohnen, ein wenig menschlicher werden lassen.

Liebe Firmanden, liebe Schwestern und Brüder, als gläubige Menschen sind wir Christen und Christinnen herausgefordert, Gott aus ganzem Herzen zu lieben und zugleich ebenso liebevoll zum Segen für viele zu werden. Jesus Christus hat uns das eindrucksvoll vorgelebt und damit ein nachahmenswertes Beispiel gegeben. Die Firmung erinnert uns daran, wozu wir berufen und gesandt sind. Möge der Geist Gottes euch, die ihr heute gefirmt werdet, aber auch uns alle, auf neue Weise entzünden und beflügeln, nicht nur irgendetwas oder an irgendjemand zu glauben, sondern auch geistvoll zu leben.

 

Druckversion der Predigt